Moderne Arbeitswelt mit viel Papier


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Erinnern Sie sich noch? „Mehr Fortschritt wagen“ – das war der Titel des Koalitionsvertrags der rot-gelb-grünen Bundesregierung vor gut zwei Jahren. Im Kapitel „Arbeit“ lautete der erste Satz:

„Wir wollen die moderne Arbeitswelt gestalten, dabei berufliche Chancen ermöglichen sowie Sicherheit und Flexibilität in Einklang bringen.“

Davon ist bisher aber nichts zu sehen. So wurde Mitte 2022 das sogenannte Nachweisgesetz im Rahmen der Umsetzung einer europäischen Richtlinie zu den Arbeitsbedingungen weiter „aufgepumpt“. Arbeitgeber müssen nun ihre Mitarbeitenden über fünfzehn wesentliche Vertragsbedingungen schriftlich informieren. Und anders als von der EU befürwortet, ist die elektronische Form dieser Information explizit ausgeschlossen. Das heißt: es müssen viele Seiten Papier im Original und mit eigenhändiger Unterschrift bewegt werden – bei geschätzt mehr als zehn Millionen neuen Arbeitsverträgen im Jahr allein in Deutschland.

Das erscheint umso widersinniger, weil ein Arbeitsvertrag auch heute noch wirksam in mündlicher Form geschlossen werden kann. Nur bei einer Befristung und um den Pflichten des Nachweisgesetzes zu genügen, benötigt man Papier im Original.

Da sollte man meinen, dass das vor drei Wochen als Referentenentwurf vorgelegte Bürokratieentlastungsgesetz IV Abhilfe schaffen wird. Tut es aber nicht – denn Minister Heil sieht in dem Entwurf zwar eine Alternative zum Papier vor. Aber leider nicht einfach die elektronische Form des Nachweises zu den wesentlichen Vertragsbedingungen im Arbeitsverhältnis. Stattdessen wird alternativ zum Papierberg nur die „qualifiziert elektronische Signatur“ zugelassen. Die Generation Z würde fragen: „Geht´s noch?“.

Um eine qualifizierte elektronische Signatur zu erstellen, ist die Einreichung entsprechender Anträge, eine Identifikation in einem “Trust-Center” und im Regelfall die Nutzung einer Signaturkarte und eines entsprechenden Lesegeräts erforderlich. Das haben sogar manche Unternehmen nicht – ganz bestimmt aber nicht die potentiellen Mitarbeitenden, denen man das Dokument schicken will.

Da wird dann mancher doch eher die Unterlage mit der Post mit vielen Seiten im Original und mit Original-Unterschrift verschicken.

Dementsprechend ist der Aufschrei auch groß – vor allem bei jungen Unternehmen, die die digitale DNA im Blut haben. Der Bundesverband Deutsche Startups hat nun die Initiative #signsmart gestartet, die fordert, dass die Textform ausreichend sein soll – also auch die einfache E-Mail.

Bleibt zu hoffen, dass die geplante Regelung noch geändert wird und es auch im Bereich des Arbeitsrechts eine echte Vereinfachung für die Unternehmen und die potenziellen Mitarbeitenden gibt. Bevor Deutschland ein weiteres Mal aus dem Ausland wegen seines Nachzüglertums in Sachen Digitalisierung belächelt wird.

 

Dr. Axel Mauersberger
Geschäftsführer
Unternehmensverband Ratingen e.V.