Stimme der Wirtschaft: Bildungstrend: NRW rutscht ab


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Nordrhein-Westfalen rutscht ab. Das zeigt der aktuelle IQB-Bildungstrend deutlich. Die Kompetenzen unserer Neuntklässler liegen in Mathematik und den Naturwissenschaften klar unter dem Bundesdurchschnitt. Was nach nüchterner Statistik aussieht, ist in Wahrheit ein gesellschaftliches Frühwarnsystem. Denn wenn junge Menschen grundlegende Bildungsstandards verfehlen, dann geht es nicht nur um Schulnoten – es geht um Lebenschancen, um Teilhabe und letztlich um die Zukunft eines Landes, das sich als industrieller Kern Deutschlands versteht.

Die Ergebnisse überraschen nicht. In den Schulen wird seit Jahren über dieselben strukturellen Probleme gesprochen: zu wenig Lehrkräfte, zu viel Bürokratie, zu viele Unterrichtsausfälle. Die Pandemie hat diese Entwicklungen zwar nicht verursacht, aber sie hat sie sichtbarer und spürbarer gemacht.

Gleichzeitig stehen wir vor einer demografischen Zäsur, die weit über Bildungspolitik hinausreicht. Bis 2039 scheiden 13,4 Millionen Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt aus – ein Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung. Diese Lücke lässt sich nicht einfach schließen. Schon heute fehlen Fachkräfte in nahezu allen Branchen, und die Schere zwischen Bedarf und Qualifikation öffnet sich weiter. Wenn aber ausgerechnet jetzt die schulischen Basisfähigkeiten im Land zurückgehen, verstärkt sich der Druck auf Arbeitsmarkt und Wirtschaft gleich doppelt. Die Realität ist schlicht: Wir können uns ein Bildungssystem, das immer weniger leistungsfähige Schulabgänger hervorbringt, nicht mehr leisten.

Dabei investiert Deutschland im europäischen Vergleich deutlich weniger in Bildung als vergleichbare Staaten. Während die Sozialausgaben stetig steigen und inzwischen über 40 Prozent der staatlichen Gesamtausgaben ausmachen, fließen nur 9,3 Prozent in Bildung – der niedrigste Wert unter den westeuropäischen Vergleichsländern.

Vieles von dem, was Bildung besser macht, kann jedoch vor Ort beginnen. Wenn wir Kinder früh stärken wollen, müssen wir hier ansetzen: mit gezielter Sprachförderung in Kitas, stabilen Strukturen in den Grundschulen und Lernangeboten, die Basiskompetenzen nachhaltig festigen.

Gleichzeitig können wir unsere Schulen leistungsfähiger machen, indem wir ihnen den Rücken freihalten. Ratingen kann dazu beitragen – mit guter Ausstattung, moderner Infrastruktur, Ganztagsangeboten, die wirklich entlasten, und administrativer Unterstützung, die Lehrkräften Raum für das Wesentliche verschafft: Unterricht, Förderung, Orientierung.

Und schließlich wird Bildung zukunftsfähig, wenn sie als gemeinsames Projekt verstanden wird. Ratinger Unternehmen, Vereine und Institutionen können Jugendlichen Wege öffnen, die über das Klassenzimmer hinausführen: durch Kooperationen, praktische Lernorte und eine Berufsorientierung, die früh ansetzt und echte Perspektiven schafft. Ratingen hat die Chance, den Unterschied zu machen – indem wir früh fördern, unsere Schulen stärken und Bildung als gemeinschaftliche Aufgabe leben. Genau hier beginnt die Trendwende.

Hakan Cetin
Geschäftsführer